Geschichten finden: Zuhören, einfühlen, nachfragen

Wie findet man die Geschichten, die es zu erzählen lohnt? Meine drei Vorschläge: zuhören, einfühlen, nachfragen.

Neulich hatte ich Glück: Ich traf eine geborene Geschichtenerzählerin. Sie ist die Vorsitzende eines gemeinnützigen Vereins, über den wir ein Video machen wollen.

Eigentlich hatte ich mich bei der Vorbesprechung  auf eine Reihe von Zahlen und Fakten eingestellt. Doch als ich das Ipad angeschaltet hatte, um mir Notizen zu machen, kam ich aus dem tippen gar nicht mehr heraus.

Wenig Fakten, viele Geschichten

Ich musste einfach nur zuhören und mitschreiben. Die Dame erzählte viel, interessant, spektakulär und persönlich. Es wimmelte in ihren Geschichten von Archetypen, Problemen, Hindernissen, Konflikten.

Mein Job war einfach nur, diese Elemente in den Geschichten herauszuhören. Wer war der große Gegner des Vereins in der Anfangsphase, wer wollte die Gründung verhindern? Wer war der Mentor, wo gab es Wendungen in der Geschichte?

Jede Rückfrage von mir hat weitere Geschichten getriggert. Und so hatte ich zum Schluss ein Problem: Zu viele Geschichten. Für das Video, das wir drehen sollen, reicht aber eine Story.

Welche Geschichte nehmen wir nun?

Am meisten interessiert mich persönlich die Geschichte der Frau. Wie sie zu dem Verein kam. Wie sie selbst betroffen ist, welche Hindernisse sie überwindet, wie sie Verein und Beruf unter einen Hut bekommt. Wie sie sich seit der Gründung des Vereins gewandelt hat.

Aber wir wollen einen Film über den Verein machen, darüber, wie er Menschen hilft. Deswegen werden wir eine andere Geschichte erzählen. Nämlich die Geschichte von jemandem, dem der Verein geholfen hat. Das wird die Hauptlinie des Videos.

Natürlich wird drumherum die Geschichte des Vereins erzählt. Und die des Gründers. Und ein klein wenig die der Vorsitzenden.

Und was ist die Moral von der Geschichte über die Geschichten?

Stories sind überall. Sie umgeben uns und wollen erzählt werden. Auch Firmen und Unternehmer haben fantastische Geschichten auf Lager.

Man muss die Geschichten nur finden und sich trauen, sie zu erzählen.

Wie ich mit Karteikarten verstanden habe, was ich erzählen möchte

Seit ein paar Tagen kreisen die Gedanken nun wieder um das Thema: Wie bereite ich eine Geschichte über das Erzählen von Geschichten so auf, dass es die Leute auch interessiert? Ich habe schon ein paar Texte dazu geschrieben, die ich aus gutem Grund nicht veröffentliche. Rohe Rohfassungen, schnell herunter geschriebene Gedanken. Nicht schlecht, aber eben noch unbearbeitet.

Und so schwirren sie, die Gedanken. Normalerweise greife ich zu meinem Schreibprogramm Scrivener und nutze dort die Karteikarten-Funktion. Die Karten kann ich im Programm hin und her schieben und mir so ein Bild vom Thema machen.

Drei Geschichten in einer?

Doch bei diesem Projekt habe ich aktuell drei Strukturen, drei Erzählstränge. Einmal will ich die Struktur hinter Geschichten erklären. Dann will ich erklären, warum Menschen so sehr von Geschichten leben. Und schließlich soll noch eine kleine Geschichte in die Geschichte hinein, um die Geschichte über die Geschichten zu illustrieren.

Alles klar?

Nein?

Ok, dann habe ich ein Problem. Ich brauche einen Überblick – mehr als ihn mir Scrivener jetzt noch liefern kann. 

Also mopse ich ein paar Karteikarten aus dem heiligen Telefonregister meiner Gattin, schnappe mir einen Kugelschreiber, gehe an den Esstisch und fange an, aufzuschreiben, was ich erzählen will.

Karteikarten auf Tisch

Ich sehe klarer

Dann sortiere ich die Karteikarten und schiebe sie hin und her. Und plötzlich sehe ich mehr – zumal ich jetzt auch weiß, wohin ich den Leser führen möchte: Storytelling ist nicht nur toll, sondern macht uns auch anfällig für Manipulation. Storytelling ist an Kriegen und grausamen Verbrechen beteiligt. Bumm!

Jetzt weiß ich, wie ich weiter mache. Und ich habe schon mal eine Idee, wie die drei Geschichten innerhalb der großen Geschichte verlaufen. 

Ich bin noch nicht am Ziel, aber ein gutes Stück weiter.

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