Glosse: Jans Ideen zur Internet-Werbung

Alte Bannerwerbung ist out. Die kleinen Bildchen reißen niemanden mehr vom Hocker. Multimedia-Spezialist Jan hat sich neue Werbeformen ausgedacht.

Ich habe keine Chance: Mein Freund Jan hat sich einen neuen Mac gekauft. Einen Mega-Pyramid in transparentem Vinylglasgehäuse mit leicht abgesetztem Apfel in dunklem Anthrazit mit abgerundeten Kanten und Schaumstoffpolstern an der Ecke. An Stelle der Knöpfe zum Ein- und Ausschalten des Computers zieren kleine Gel-Knubbel die Gehäusefront. Sie sehen aus, als hätte jemand ein paar Tropfen Uhu verschüttet.

Warum sich aber Jan für die Duftnote Moschus entschieden hat, mag sein Geheimnis bleiben. (Erhältlich ist der Rechner auch im Original Apfelduft sowie in Himbeere, Mango und gegen duftigen Aufpreis in Chanel No5.)

Jan ist begeistert von seinem Computer. Und mir Banausen will er jetzt seinen neuen Schatz vorführen. Mir, der ich nie über einen iMac hinausgekommen bin.

Denn Jan hat sich den neuen Rechner nicht ohne Grund auf seine Arbeitsplatte aus Pressholz gestellt. Jan ist selbständig und macht sich gerade als Banner-Designer und Werbeguru einen Namen.

„Weißt Du“, hebt Jan an, „Banner sind ja eigentlich out. Kein Mensch guckt sie an. Sie stehen am Rand einer Seite und bringen weder Return noch Investment.“ Jans Sachkenntnis lässt mich staunen. Doch bevor ich antworten kann fährt er fort: Ich habe ein paar neue Bannerformen entwickelt, die wirklich wirken.

Jan streichelt kurz den Gel-Taster an der in braun-metallic mit Perleffekt lackierten Front. Ein polyphones „Kablong“ lässt kurz den Wackeldackel auf dem Bücherbord wackeln.

Jan geht online und zeigt mir erstes Werbebanner. „Ich nenne es Penetranner“, kalauert Jan und erklärt: „Verstehst Du? Penetrantes Banner.“ In der Tat hat er Recht. Das 80 mal 80 Pixel große Bildchen folgt immer dem Mauszeiger. „Hier schau“, reißt mich Jan aus meinen Gedanken, „bleibt der Mauszeiger kurz stehen, geht das Skript davon aus, dass der Web-User die Seite laden will.“

Doch dazu lässt es Jan nicht kommen. Er zeigt mir ein anderes Modell. „Guck’ mal, MSN, lasch“. Jan fährt mit der optischen, ruckfrei klickgedämpften Maus über den ultraflachen, leicht konkav gewölbten Flachbildschirm und über das MSN-Banner. Mit einem Schlag klappt das Banner auf und füllt ein Viertel des Bildschirms.

„Das füllt nur ein Viertel des Bildschirms“, klärt mich Jan auf. „Das kann ich besser“, Jan ruft eine Demo-Seite auf und fährt über ein harmlos blinkendes Banner. Sofort füllt sich der komplette Bildschirm mit einer atemberaubend animierten Flash-Werbung. „Das ist das Flächenbanner. Wenn jetzt alle DSL haben fällt die Minute Download-Zeit dafür kaum ins Gewicht“, freut sich Jan und holt zu seinem nächsten Schlag aus.

„Und hier — Werbeeinblendungen im Text.“ Jan hat eine Seite aufgerufen, auf der sich vier Zeilen Text über dem Banner zeigen. Der restliche Text läuft in vier Zeichen breite links neben der Einblendung entlang. „Weicheier,“ mault Jan, „so muss das aussehen:“ Er öffnet eine Seite Auf ihr ist nichts zu sehen außer Werbung. Ein kaum auffindbarer Knopf in der Mitte sagt „Inhalt“. Jan läuft zur Hochform auf und nimmt einen Schluck Red Bull: „Verstehst Du“, gurgelt er in die Dose und setzt dann ab, „das Medium ist die Message. Wir sind echte Werbetreibende. Wir treiben die Rezipienten vor uns her mit reziproken Messages. Werbung ist eins durch Inhalt.“ Ich zweifle daran, ob in der Dose wirklich Red Bull ist und sehe demonstrativ auf die Uhr.

„Unser globales…“. Es reicht. Ich unterbreche ihn. „Hat das schon jemand gekauft?“, frage ich. Jan verstummt. „Nein.“ Er streichelt seinen Mac. Für einen Augenblick habe ich ihn aus dem Konzept gebracht. „Aber auf die Dauer wird sich die Werbung durchsetzen, die wahrgenommen wird. Und wenn der Kunde eben wegschaut, dann helfen wir ihm, indem wir den ganzen Bildschirm füllen.“ In Jans Augen glimmt Hoffnung. „Und wenn sie uns nicht sehen, sollen sie uns eben hören.“ Ein Knopfdruck und Jans Subwoofer schickt ein tiefes Brummen ins Zimmer. Der Mac vibriert und stürzt ab, der Wackeldackel fällt um und Jan ist stolz. „Das ist mal ne Botschaft, oder?“

Lesen Sie hier weiter: Der Reiz der Begrenzung in Print

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