Glosse: Menschen zu Computern (WIN 8/97)

Nicht der Computer soll menschlicher werden. Nein, es wird Zeit, daß die Menschen computerlicher werden. WIN-Fast-Guru Martin Goldmann sagt, was hinter dem neuen Adjektiv steckt.

Ich verstehe die Menschen nicht. Einerseits ist sicher mein von Heavy Metal und Marketing-Managern zugelärmtes Gehör daran schuld. Doch das Problem ist nicht allein akustischer Natur. Es mangelt an klar definierten Schnittstellen zu meinen Mitmenschen und an ausgefeilten Hilfefunktionen. Wo ist die F1-Taste auf der Stirn des Postbeamten? Wo verbirgt meine Liebste ihr Handbuch? Und wie mache ich der Dame an der Käsetheke klar, daß ich meinen Parmesan nicht scheibenweise sondern in kleinen Klötzchen will?

Der Computer bietet Ansätze: Hilfefunktionen, Assistenten, standardisierte Schnittstellen. Komisch, daß wir bislang nur die negativen Eigenarten der Rechner übernommen haben. Sturheit, Gier, Kompatibilitätsprobleme und grausame Abstürze bei Guinness und Salzstangen.

Übernehmen wir doch endlich die positiven Elemente der EDV. Laßt uns vom Computer lernen. Eindeutige Fehlermeldungen zum Beispiel vereinfachen die zwischenmenschliche Kommunikation und das gesellschaftliche Leben. Mediziner freuen sich dann über einfachere Diagnosen. Statt indifferenter Krankheitsbilder kommt nun Klarheit: „Allgemeine Schußverletzung“ oder „Kritische Diarrhöe im Darmbereich 2AFF:100H“.

Genauso profitiert der zwischenmenschliche Bereich. Wie oft entstehen lästige Zeitverluste durch erfolglose Flirts und Beziehungsanbahnungsversuche? Sie enden ohnehin mit der Ankündigung „Wir können ja Freunde bleiben“. Skript-Dateien bieten sich an, derlei stereotype Abfuhr-Dialoge zu standardisieren und zeitsparend abzuwickeln. Um der Komplexität zwischenmenschlicher Beziehungen gerecht zu werden, drängt sich C als Skript-Sprache auf. Ein einfaches Beispiel zum Abtippen und Ausprobieren:

#include <frust.h>

#include <human.h>

char *person_a;

char *person_b;

void main(void)

{
while (person_a not weg)
{
puts(„Ich bin verletzt worden und muß nachdenken“);
puts(„Ich fände es unfair Dir gegenüber“);
puts(„Du bist mir einfach zu schade“);
puts(„Ich bin noch nicht reif für eine Beziehung“); }
puts(„Wir können ja Freunde bleiben“);
exit(0);
}

Sollte es dennoch zu einer Schnittstellen- und Systemkompatibilität zweier Menschen kommen, helfen ausgefeilte Diagnosewerkzeuge, diese aufrechtzuerhalten. Kein „Ich bin nicht beleidigt“ mehr, kein „Du hast doch vor vier selbst Wochen gesagt, daß…“, sondern klare Auskünfte. In einer Log-Datei werden Aussagen exakt mitgeführt und eine Ego-Diagnose informiert über Grund und Grad der Beleidigung.

Vergessen Sie endlich das Gequassel über entmenschtlichte Computer. Stecken Sie Ihren Kopf tief in ein Tower-Gehäuse und lernen Sie von unserem Vorbild — dem Computer.

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