Eine neue Spezies (WIN 2/98)

Sind wir eine neue Spezies? WIN-Kolumnist und Hobby-Anthropologe Martin Goldmann entdeckte den Homo Digitalis und drei seiner Untergruppen.

Unbemerkt von Politikern, Parapsychologen und Staatsschutz hat sich eine neue Spezies herausgebildet. Sie richtet ihr Sozialverhalten an Computer und Arbeit aus: der Homo Digitalis. Die noch junge Forschung entdeckte bereits mehere Untergruppen dieser Spezies.

Homo digitalis erectus

Stets bärtig und mit einem hohen IQ läßt sich die Herkunft des Homo digitalis erectus bis in die EDV-Frühzeit zurückverfolgen. Auf ihre Herkunft weisen Lieder und Gedichte wie „Ich programmiere seit 40 Jahren auf einer AS/400“ oder „Die Cobol-Saga“. Der Digitalis Erectus zeigt seine Verbindung zum gewöhnlichen Neuzeitmenschen durch das Verwenden von Analog Handy Plottern. Diese in Hemdtaschen untergebrachten Artefakte nutzen sie gelegentlich, um kultische, kaum zu entziffernde Symbole zu Papier zu bringen. Derzeit verdichten sich die Hinweise, daß der Homo digitalis erectus ungeduldig ein Phänomen namens „die dritte und vierte Stelle“ im Jahr 2000 erwartet.

Homo digitalis non-ms

Ein wilder Stamm stets revoltierender Hacker und Konsumverweigerer. Schon zu frühen Zeiten verschloß sich der Homo digitalis non-ms dem Massentrend, auffällig war in den frühen 80ern seine Hinwendung zu Wordperfect und Pascal. Eng verwandt ist der Non-ms mit dem Homos/2 und dem Mac-Mann. Alle verbindet der Glaube an den bösen Geist Microsoft.

Homo digitalis officeis

Eine weit verbreitete Gattung. Ernährt sich von Schreibarbeiten, Kalkulationen und dem Sammeln von Daten. Im Winter jagen die Männchen nach mehr Performance, da die Brunftzeit, „Update“ genannt, ansteht. Der Homo digitalis officeis lebt stets mit einem Symbionten, dem virtuellen Assistenten. Dieser nimmt ihnen alle Routine-Tätigkeiten und meist das Denken ab. Ein für Forscher interessantes aber noch nicht erforschtes Verhaltensmuster: die kleinen Nachkommen des Homo officeis züchten Computer-Tierchen, offenbar, um sich auf das Leben vorzubereiten. In Laborversuchen mit naturbelassenen Hamstern freuen sich die Officeis-Kinder über dessen Quieken sobald sie einen der zwei hübsch glänzenden Fütterungs-Buttons im Gesicht drücken.

Aussterbende Kulturen

Nurmehr selten entdecken Anthropologen Vertreter des Australopithecus amigeis sowie des Chromagnon-Atarianer. Diese Spezies rotteten sich in langen ideologischen Auseinandersetzungen gegenseitig aus. Noch früher verschwand der 8-Bit-Mensch. Forscher datierten erst kürzlich Chip-Überreste einer digitalen Frühkultur auf das Jahr 6502 vor Christus. Diese Epoche löste wohl ein Zeitalter ab, über das nur lückenhafte Erkenntnisse existieren. Funde lassen darauf schließen, daß Pappkartons mit Lochmustern eine hervorgehobene kulturelle Rolle spielten.

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