Meine Freunde wissen es, meine Kollegen, mein Therapeut und die halbe Welt wissen es: Ich habe Probleme mit meinem Ego. Meine Freunde verstehen mich, meine Kollegen haben ein Gesprächsthema und der Therapeut kann sich von meinen Honoraren ein neues Mercedes-Cabrio bestellen.
Bisher dachte ich, mein schräger Gemütszustand läge an einer verkorksten Kindheit, volkstümlicher Musik, linksliberaler Paranoia, verkanntem Genie oder dem regen Gebrauch von Alkohol und synthetischen Drogen. Doch nein. Jetzt habe ich den wahren Grund gefunden: Ich bin kein Guru.
Guru wird man in der EDV-Branche, indem man zum richtigen Zeitpunkt von einem Plakat oder einer Zeitschriftenseite hinunterlächelt und Wahrheiten verkündet. Wer vor anderthalb Jahren, als bereits die halbe Internet-Welt im Datenstau stand, sagte „Die Datenautobahn ist verstopft“, traf damit genau den Nerv der Zeit und ward flugs zum Guru erhoben.
Momentan nickt die Medienwelt heftig ob der Erkenntnis, daß dem Internet hierzulande wohl noch kein kommerzieller Erfolg beschieden sei und daß der Netz-Computer vielleicht doch nicht so ganz den herkömmlichen PC in Grund und Boden stampfe. Gut erkannt, well done, Guru.
In der zweiten Reihe lauern Branchenkenner und Insider auf Guru-Status. Viel zitiert, jedoch anonym stehen sie für Slogans wie „Windows 95 wird ein Erfolg“ oder das Anfang 1997 herausgegebene Motto „OS/2 ist wahrscheinlich ein Flop“.
Alles Blödsinn. Es wird Zeit für einen neuen Guru. Zeit für mich. Weg mit den alten Heilsverkündern und Propheten der esoterisch-digitalen Sphäre. Hier kommen meine ultimativen Guru-Statements für das Jahr 2000:
– Es wird im Jahr 2000 keine PCs mit Prozessor mehr geben. Oracle und Sun entwickeln den Java-fähigen Fernseher, dessen Intelligenz und Zentraleinheit irgendwo in Silicon Valley sitzen. Weiter stellen die Unternehmen den ersten Prototypen eines Users ohne eigene Intelligenz vor.
– Netscape sattelt um, produziert Fußabstreifer und geht mit der späten Erkenntnis pleite, daß diese sich nicht besser verkaufen, wenn man jedem Anwender einen Haufen Humus schenkt.
– Die Verkaufsodyssee des Amiga hält an. Alle Rechte liegen zur Jahrtausendwende bei einer Hufschmiede im bayerischen Wald. Der Hersteller wirbt mit dem gußeisernen Gehäuse. Amiga-User wußten es schon immer: Der Ex-Commodore-Rechner ist stabil.
– 1.1.2000, 0.00 Uhr: Die Welt geht unter. In letzter Sekunde macht Sun-Chef Scott McNealy eine Sicherheitslücke in ActiveX dafür verantwortlich. Microsoft verspricht ein Update vor dem nächsten Urknall.
So, wenn ich mit diesen Vorhersagen nicht zum Guru werde, dann lasse ich die Haare wachsen, flechte mir Zöpfe, kaufe eine Nickelbrille und warte auf einen rötlichen Vollbart. Irgendwie muß es doch klappen!
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